Was ist eine „echte Wienerin“? Muss man in Wien leben, um sich als solche zu fühlen? Die erste Folge der dreiteiligen Reihe „Echte Wienerinnen“ stellt unterschiedliche Frauen und ihr Wien vor. Die 28-jähirge Hebah Nigm wird aufgrund ihres Kopftuches oftmals nicht für eine „echte Wienerin“ gehalten. Die Künstlerin Raja Schwahn-Reichmann hat noch nie woanders als in Wien gelebt. Im Gegensatz dazu lebt Ulrike Wiesner seit über vierzig Jahren in Washington und besucht ihre alte Wiener Heimat jedes Jahr für mehrere Monate. Erika Deutinger ist in Salzburg geboren und lebt auch jetzt nicht in Wien – allerdings verkörpert, die als „Hanni“ im „Mundl“ bekannt gewordene Schauspielerin, für viele eine „typische“ Wienerin.
Gute Nacht, mein liebes Kramuri, ich hab zu viel von euch, aber nicht genug.
Raja Schwahn-Reichmann schwebt durch Schrankraum und Küche, „Mein Opiumkabinett“. Kleider, Schuhe, Schmuck und andere Preziosen aus Böhmen, Mähren, Ungarn, Georgien, Rumänien. Aus allen Epochen.
Weltreise und Zeitreise. Der zärtliche Kramuri-Satz ist ein Zitat der verstorbenen Dichterin Elfriede Gerstl, gute Freundin und ebenfalls leidenschaftliche Sammlerin, die der Malerin Raja viele Schätze vererbte. Und Raja kann keinesfalls Nein sagen. „Man ist ja auch Asyl. Man muss Dinge retten, es geht nicht darum, ob man noch Platz hat.“
Die Wohnung, ein Korallenriff an Objekten. Raja Schwahn-Reichmann, Malerin, Zeichnerin und Bildhauerin, ist passionierte Sammlerin historischer Trachten und Kostüme. Und Asylgeberin für alles Mögliche, das andere nicht zu schätzen wissen. „Nehmen Sie zum Beispiel diese alte Schachtel. Ein wenig bekanntes Altmann & Kühne-Muster. Wenn ich sie nicht genommen hätte, hätte sie den Tag am Flohmarkt wohl nicht überlebt. Man muss diese Dinge einfach retten. Oder die Schuhe aus den 40er Jahren, die hab ich vom Pfarrflohmarkt. Wenn ich sowas sehe, weiß ich genau, das erkennt außer mir keiner. Wenn ich das nicht rette, wird es verkommen.“
Mährische Ziegenlederstiefel, rumänische Trachten, mit winzigen schwarzen Perlen bestickte Abendschuhe mit passendem Kleid. Einmal kam aus einem Nachlass eine Flut von Abendkleidern. „Die hab ich natürlich alle nehmen müssen. Roben von den 30ern bis in die 50er Jahre. Wunderschöne Morgenmäntel. Herrliche Stoffe. Alles auf einen Schwung. Dafür habe ich eine Wand geopfert. Ich habe ja glücklicherweise auch ein Lager.“ Manchmal wird das alles benützt, mit Leben erfüllt. „Ich habe schon Gesellschaften und Bälle damit ausgestattet.“
„Ich nenne meinen Schrankraum meine schreckliche Kleiderkammer. Darin befindet sich auch eine 70er Jahre Abteilung. Und vieles von Susanne Bisovsky. Mit Freunden stelle ich oft einiges aus dieser Schlucht heraus zusammen.“
„Mein Ideal war eine leere Wohnung. Klassisch. Ich dachte, das lässt sich alles domestizieren. Bücher bekommen eine Wand, aber darüber hinaus nichts. Dann fängt halt alles an zu wachsen. Irgendwann kann man sich den Dingen nicht mehr widersetzen. Meine Wohnung ist wie ein Korallenriff an Objekten. Sie wächst zu. Ich mag das. Und man braucht das Zeug ja auch. Ich brauche die Sichtachsen zu Dingen, die mir wichtig sind. Ich liebe orthodoxe Kirchen, weil sie sich zu Fülle und Vielfalt bekennen. Ich werfe der Moderne ihren Minimalismus vor. Er ist in meinen Augen ein Bilderverbot. Alte Kulturen sind durchlässiger, lassen Farb- und Formenspiele zu. Ich habe Sehsucht nach dem Osten. Da kann ich reinkippen.
Auch die Dichterin Elfriede Gerstl lebte mit ihrer Kleidersammlung, die ihre Texte sehr beeinflusste. Vieles gab sie weiter an Freundinnen. „Sie hat in mir ein williges Opfer gefunden. Damit was weitergeht, hat sie geschrieben. Der Zwiebelduft hängt in der Kleiderkammer, in der Denkerstube paaren sich die Stöckelschuhe. Typisch Elfriede. Sie hat wie ich in einem Verhängnis gelebt. In einer winzigen Wohnung, aber sie ist dazu gestanden und hat das auch inszeniert.“
„Meine Küche ist mein Opiumkabinett. Hier habe mich meine Porzellansammlungen. Ketten aus alten Serviettenringen. Ungarische Volkskunst oder alpiner Andenkenkitsch. So stapelt sich’s halt. Man kann auch auf sehr wenigen Quadratmetern Gulasch für 40 Leute machen. Deshalb ist hier alles auch ein bisschen prekär gestapelt.“
„Der Schmuck ist geparkt auf meiner unheimlichen Wand. Glitzer aus jeder Epoche. Dazwischen Gedichte von Elfriede Gerstl. Bröschchen drauf und geht schon.“
… und bittet euch zum Fest an seinem angestammten Datum. Die Wiener Malerin Raja Schwahn-Reichmann verfolgt einen Plan, wie er sich für eine angebliche Weinmetropole ziemt: Sie will Wien zu einem neuen Hotspot des Dionysos-Kults machen. Den Perinetkeller verwandelt sie dafür in eine gemalte und inszenierte bukolische Landschaft, die sie mit möglichst entsprechend gewandeten Gästen füllen will. Gold, Rot, Felle, Efeu (der ist auch im Februar grün) heißt die Devise. Wer glaubt, den Kostümerwartungen nicht gerecht werden zu kennen, dem oder der bietet die Malerin im Vorfeld Kostümberatung an (0676 4953133). Ihr Wunsch: «Haltlose Damen mit heiligem Lüstl treffen auf lose Herren mit göttlichem Dürstl».
Freitag 14. Februar 2020, ab 19:30 Perinetkeller, Perinetgasse 1, 1200 Wien
Eintritt: Spenden.
Premiere: 13. November 2019 / Uraufführung Zeck / Eine Wiener Verwandlung Theater Nestroyhof Hamakom, Nestroyplatz 1, 1020 Wien
Dieser Gregor Samsa ist skrupelloser Fotograf, der im Hotel Mama logiert, weil er keinen Erfolg hat. Sein Vater ist arbeitsloser Alkoholiker, seine Mutter muss als Putzfrau die Familie über Wasser halten. Gregor ist auf Koks – seinen versoffenen Vater verachtet er. Gregor lässt sich von seiner Mutter füttern, bestiehlt und verspottet sie.
Gregors Schwester Grete ist Malerin. Auch ihre Bilder finden kein Interesse, auch sie wohnt noch daheim. Verkannt fühlen sich beide, das eint die Geschwister: Sie stilisiert seine Fotos, er ihre Bilder. Auch Wälsungenblut fließt in den Adern der Geschwister. Bis Gregor eines morgens als Zecke erwacht…
Kafkas Erzählung birgt auch ein Libretto in sich: Eine surreale musikalische Familienaufstellung, die Musik ist unmittelbar ins Bühnengeschehen eingebunden.
MIT: Anna Hauf, Konrad Rennert, W.V. Wizlsperger
MUSIK: Hannes Löschel
LIBRETTO: Peter Ahorner
AUSSTATTUNG: Simon Skrepek
VISUALS: Johannes Novohradsky
FOTOS: Markus Rössle
GEMÄLDE: Raja Schwahn-Reichmann
Ein paar Fotos von „La Fête Honnête – ein performatives Fest“ im Kunstraum Niederoesterreich
nach einem Konzept von Peter Kozek
von und mit DJ Daniel Bemberger, Geneviève Favre Petroff, Gerda Fischer, Juun, Alex Kasses, M.F. Wall, Erica de Roo, Raja Schwahn-Reichmann, Roman Steger.